Was ist Schamanismus?
Traditioneller/ klassischer Schamanismus
Ursprung und Entwicklung des Schamanismus
Schamanismus, wie wir ihn heute bei nativen Völkern beobachten können, hat eine lange Entwicklung hinter sich. Religiöse Inhalte vermischten sich im Laufe der Jahrtausende. Es wurden Vorstellungen und Arbeitsweisen über Bord geworfen, vergessen, übernommen und neu erfunden. So können wir nicht sagen, dass wir irgendwo auf der Erde heute eine Art reinen, ursprünglichen Schamanismus hätten. Alles in den Händen der Menschen entwickelt sich weiter. Seinen Anfang nahm der Schamanismus wohl bei den Steinzeitmenschen (vielleicht 200.000 v. Chr.?), als Nomaden in der Wildnis lebend, den Naturkräften ausgesetzt und von ihnen komplett abhängig. Der Schamane war der Vermittler zwischen den unsichtbaren Kräften hinter den Naturkräften und den Menschen.
Irgendwann in grauer Vorzeit hat sich bei uns Menschen das Bewusstsein geregt und wir haben angefangen essentielle Fragen zu stellen: Wo komme ich her? Was ist der Sinn von allem? Was ist mein Sinn? Wie verhalte ich mich richtig? Wo gehe ich hin, wenn ich sterbe? Wer oder was lenkt das Leben?
Meiner Ansicht nach, beginnt mit diesem Erwachen des Bewusstseins und dem Nachgehen dieser Fragen der Schamanismus. Um diesen Fragen nachzugehen nutzten wir Menschen nicht nur unseren Verstand, sondern auch die Verbindung mit dem Unfassbaren hinter dem Fassbaren. Das war der Beginn der schamanischen Techniken der Bewusstseinsveränderung und der außersinnlichen Wahrnehmung. Vielleicht hat das aber auch gar nicht begonnen, sondern es war einfach unser Naturzustand. Vielleicht wurden auch erst später Techniken daraus, als die meisten Menschen sich davon abwandten und es daher auserwählte Experten auf dem Gebiet brauchte. Beides ist möglich. So hat der Schamanismus als archaische Techniken der Bewusstseinsveränderung und Verbindung mit der großen Kraft hinter allem wohl seinen Ursprung überall auf der Erde.
Mit dem Beginn der Sesshaftwerdung vor ca. 8000 Jahren hat sich dann einiges im sozialen Leben verändert. Der Schamane wurde nach und nach von Priestern und Ärzten abgelöst und Gesellschaftsstrukturen mit Gesetzen und Politik entwickelten sich. Die Philosophie wurde geboren. Aus ihr entstanden dann die modernen Naturwissenschaften und erst vor ca. 100 Jahren als Abspaltung die Psychologie.
Bei den Völkern, die heute noch nomadisch leben, hat der Schamanismus sich bis heute weiter entwickelt, zwar weitestgehend unbeeinflusst von unseren modernen, aufgeklärten Wissenschaften, jedoch nicht gänzlich unbeeinflusst. Alles ändert sich im Leben ständig und so wandelte sich auch der Schamanismus von der Steinzeit bis heute.
Klassischer Schamanismus heute
Der klassische Schamanismus heute als archaische Ekstasetechnik (Trancetechnik) mit seinen Merkmalen Unterweltfahrt und Himmelfahrt ist weltweit jeweils eingebettet in ein religiöses Geflecht von Göttern, Geistern und Mythen. Der Schamanismus ist somit keine eigenständige Religion, sondern Geheimwissen und Techniken, die in einen jeweils religiösen Kontext eingegliedert sind. Es geht dabei immer um Trancetechniken, bei denen mit Hilfsgeistern zusammen gearbeitet wird. Das Phänomen Schamanismus ist sehr umfangreich, hat viele Ausprägungen und taucht weltweit auf.
Wortherkunft
Das Wort Schamanismus geht auf das tungusische (Russland/China) Wort "shaman" zurück. Es bedeutet so viel wie „Wissender“.
Bei der Ekstase (ex = außerhalb, stase = stehen) geht es darum zwischen den Menschen und den Geistern zu vermitteln und mit dem Bewusstsein in andere Realitäten zu reisen. Dies findet außerhalb des alltäglichen Lebens statt. Der Schamane steht mit seiner Arbeit abseits der normalen Wirklichkeit.
Das Wort Schamanismus ist ein anachronistischer Begriff. Also ein Begriff, der aus Sicht der Wissenschaft rückblickend für dieses Phänomen genutzt wurde. Kein/e traditionell schamanisch Arbeitende/r würde sich Schamane/Schamanin nennen. Das sind Begriffe aus der ethnologischen/ soziologischen/ reiligionswissenschaftlichen Forschung. Schamanismus ist ein Begriff, den man gewählt hat, um das, wofür er steht, weltweit einigermaßen zusammen fassen zu können. Und heute ist es so, dass wenn man von Schamanismus spricht, dass jeder ungefäht weiß, worum es geht. Hätten wir diesen Begriff nicht, gäbe es jedes Mal, wenn jemand danach fragte, eine (zu) lange Erklärung dazu.
Ein berechtigter Einwand ist, dass die Endung "-ismus" für Ideologien benutzt wird. Schamanismus ist aber keine Ideologie, sondern eher ein spiritueller Werkzeugkasten mit zugehörigen Ritualen und Philosophien. Daher könnte man Schamanismus auch als Brauchtum bezeichnen. Richtigerweise müsste man dann von Schamanentum oder Schamaninnentum sprechen. Der Einfacheit halber bleibe ich jedoch beim Begriff "Schamanismus".
Schamanische Kosmologie
In vielen Kulturen, in denen es schamanische Arbeitsweisen gibt, taucht folgende Kosmologie auf: Die Welt ist in drei Zonen aufgeteilt. Die Unterwelt, in die die Toten absteigen. Der Himmel, wo die Götter wohnen. Und die Erde, auf der wir leben. Die drei Zonen sind durch eine Mittelachse (der Pfeiler der Welt, Weltensäule) miteinander verbunden. Es gibt Tore oder Löcher in den Ebenen, durch die die Götter auf die Erde gelangen können und die Schamanen zu den Göttern. Der Himmel wird auch als ein Zelt gesehen und die Sterne am Himmel stehen für die Öffnungen, durch die die Götter herabsteigen können. Der Mittelpfeiler ist das Zentrum der Welt und wird auch als Baum (z. B. Yggdrasill, nordisch) oder Berg (z. B. Meru, Indien) dargestellt. In seiner ekstatischen Reise besteigt der Schamane den Weltenbaum bzw. den kosmischen Berg, um zu den Göttern aufzusteigen. Oft ergänzen sich die Bilder des Weltenbaumes und des Zentralberges in den Mythologien. Beide stehen letzten Endes für die Weltsäule, die Verbindung zwischen Unterwelt, Himmel und Erde. Mit den Wurzeln ragt der Weltenbaum in die Unterwelt, mit den obersten Ästen ragt er in den Himmel. Manchmal hat er neun Äste, manchmal neun Wurzeln. Er symbolisiert auch das gesamte Universum, das sich ständig wie ein Baum regeneriert. Man findet im Baum sitzend oft einen Vogel (z. B. Adler) und an den Wurzeln eine Schlange. Diese Symbole tauchen weltweit auf.
Man findet auch immer wieder Mythen darüber, dass es einst eine Zeit gab, in der jeder Mensch einfachsten Zugang zu den höchsten Himmelsgöttern hatte und jeder sie mit bloßem Auge sehen konnte. Eines Tages lehnte sich ein Schamane gegen diese auf (Hybris) und von da an nahmen die Götter den Menschen die Fähigkeit einen Zugang zu ihnen zu haben und sie zu sehen und es war nur noch mittels Ekstase möglich. Ab dieser Zeit würde die Kraft der Schamanen bis heute immer schwächer, so dass bis heute vom Niedergang der Schamanenkraft gesprochen wird. Die Schamanen waren seit diesem Ereignis die Privilegierten, die als einzige in einer Trancereise zu den Göttern reisen konnten. Alle anderen hatten nur noch die Möglichkeit Opfergaben an die Götter zu senden.
So blieb bis heute der Schamane der Vermittler zwischen den Welten - zwischen den Toten (Unterwelt), den Göttern (Himmel) und den Lebenden (Erde).
Meine schamanische Arbeitsweise
Wo wir heute stehen...
Wir leben nicht in so einem oben beschriebenen religiösen und kulturellen Kontext. In der Regel sind bei uns die Menschen christlich geprägt. Im modernen Christentum haben wir keine schamanischen Techniken integriert und es gibt keine Schamanen.
Wollen wir schamanisch arbeiten, bleibt uns folglich einerseits das, was wir in der uns umgebenden Natur finden und andererseits das Einbinden von traditionellen schamanischen Techniken und Wissen in unser persönliches, individuelles (modernes und aufgeklärtes) Weltenverständnis. Der Trend in unserer Kultur geht nun mal hin zu einem sehr individuellen Lebensstil. Jeder sucht sich selbst aus, an was er glaubt und an was nicht. Feste religiöse Sittlichkeit wurde über Bord geworfen und wir orientieren uns eher an der Freiheit und der Möglichkeit der Selbstverwirklichung. Manche fallen dadurch aber auch in eine (spirituelle) Krise, denn es gibt keine festen Strukturen mehr, nur noch ein „Alles-ist-möglich“. Und vielen geht es so, dass sie einfach eine für sich annehmbarere Alternative zu christlichen Vorstellungen suchen, mit denen sie sich mehr identifizieren können. Sich aber einer religiösen Praxis zu verschreiben, die aus einem völlig fremden Kulturraum kommt, ist auch keine praktikable Lösung, auch wenn solch exotische Lebensweisen uns in unseren romantischen Vorstellungen von mehr Harmonie mit uns und der Umwelt (Naturvölker), an was es bei uns durch unsere Technisierung mangelt, ansprechen.
Es geht dabei oft einfach um die Suche nach einem Weltbild, das all die nichtgreifbaren Phänomene erklären kann und mit dem man auch einen praktischen und möglichst individuellen Zugang dazu bekommen kann. Im Idealfall kann man damit seine Probleme in den Griff bekommen, bekommt einigermaßen annehmbare Erklärungen und findet mehr Sinn für sich in der Welt. Und wenn es ganz gut läuft, hilft es glücklicher zu werden und schenkt einem annehmbare Wurzeln. Daher boomt meiner Meinung nach auch der Esoterikmarkt, wo man leider aber auch viel Bauernfängerei erleben kann.
Schamanismus ist allerdings keine Ersatz-Religion für das Christentum. Er ist keine Alternative in religiösen Fragen, sondern eher ein Werkzeugkasten mit magischen Techniken, die einem dabei helfen können alltägliche Probleme besser in den Griff zu bekommen. Der Schamanismus ist praktisch ausgelegt und beruht nicht auf einem Glauben. Es geht beim Schamanismus um Selbsterfahrung, Ausprobieren und über den Tellerrand in nicht alltägliche Wirklichkeiten zu schauen. So kann ein Christ auch schamanisch arbeiten.
Angepasst an das, was uns umgibt
Meine schamanischen Techniken beziehen sich größtenteils direkt auf die Natur und den Menschen und nicht z. B. auf mythologische Götter. Möchte man die Natur um sich herum außersinnlich ergründen, dann beschäftigt man sich meiner Erfahrung nach am besten mit den Geistern, die darin wohnen, wie zum Beispiel mit den Baumgeistern. Dadurch kommt man der Natur noch mal ganz anders nah. Tiergeister, also Krafttiere, sind ebenso der Natur nahe feinstoffliche Wesen. Sie stehen für Kräfte, die uns mit der Essenz des Lebens verbinden können. Tiere sind nicht mit einem individuellen Bewusstsein (Geist) inkarniert wie wir Menschen. Sie sind inkarnierte Seele mit einer Art Gruppengeist (Krafttier), zu dem man Kontakt aufnehmen kann. Bei der Arbeit mit Krafttieren geht es nicht um Glauben, sondern um Erfahren und Ausprobieren. Es geht darum sich mit der Natur und ihren spirituellen Kräften zu verbinden.Meine schamanische Arbeitsweise kann man auch als Neo-Schamanismus, also Neu-Schamanismus, bezeichnen. Das klingt vielleicht etwas seltsam. Es passt aber zu unserer individuellen Lebensorientierung und zeigt auf, dass es um eine freie und kreative Arbeit geht, eben eine neue, die nicht auf festen Überlieferungen einer fremden religiösen Weltsicht zurückgeht. Lediglich die Techniken z. B. der Trance etc. sind von dort entlehnt und (in meiner Arbeit) an unsere Kultur angepasst. Es wäre auch nicht nett das kulturelle Gut von z. B. sibirischen oder südamerikanischen Schamanen einfach zu stehlen. Ich halte es für sinnvoller hier eine Form des Schamanismus zu betreiben, die zu unserer modernen europäischen Lebensweise passt. Denn ich denke so etwas fehlt einfach bei uns. Es kann möglicherweise helfen die spirituelle Leere zu füllen, die viele in sich spüren. Ich orientiere mich an dem, was mich umgibt, an den Menschen mit ihren Sorgen und den Naturkräften in der Nachbarschaft.
Europäischer Schamanismus?
In Europa bzw. Mitteleuropa haben wir heute keine schamanische Tradition, die ununterbrochen einige Jahrhunderte zurück reicht, auf die wir zugreifen können. Vieles ist uns hier verloren gegangen. Und es ist schwierig z. B. in Brasilien, Kanada, Sibirien oder im Niger schamanische Arbeitsweisen zu lernen und diese bei uns anzuwenden. Wir leben in einer anderen Umwelt mit anderen sozialen Strukturen, haben ganz andere Sorgen und Probleme als die Menschen dort. Und schließlich auch ganz andere Pflanzen, Tiere, Energien und anderes Wetter um uns. Schamanimus ist meiner Meinung nach etwas Kulturbezogenes und auch etwas Religionsbezogenes. Daher nutze ich viele psychologische und philosophische Ansätze, nämlich, um die Menschen hier bei uns besser greifen zu können und einen Zugang zu ihren Sorgen und Nöten zu bekommen, kurz: Um sie da abholen zu können, wo sie sind. Bei uns überwiegt natürlich unsere christlich-abendländische Geschichte und Kultur. Sie hat uns geprägt, aus ihr sind unsere Gebräuche und Weltbilder entstanden. Das römische Reich und die antiken Griechen hatten einen großen Einfluss auf unsere Kultur. Das sieht man auch an der deutschen Sprache. Auch gibt es nordische Einflüsse. Und natürlich haben wir germanische und keltische Überbleibsel. Ein Mix also aus vielen Kulturen.
Das bedeutet aber nicht, dass es hier bei uns gar keine schamanischen Wurzeln gibt. Sie sind nur schwer zu finden. Ein Rückgriff auf alte Mythologien, die schon sehr lange tot sind (z. B. Neu-Heidentum) halte ich für nicht praktikabel, weil uns dies von unserem Hier und Jetzt und unseren neueren Erkenntnissen über das Leben weg bringt. Wir brauchen etwas Integratives. In der Natur liegt vielleicht der Schlüssel dazu.
In der uns umgebenden Natur ist noch alles vorhanden: Wir finden draußen Pflanzen, Flüsse, Erde, Wetter, Tiere, Steine... es ist alles da. Die Natur ist immer noch da, zwar verändert durch uns Menschen, aber ein Baum wächst im Großen und Ganzen seiner eigenen Natur nach. Ich behaupte auch, dass der Schamanismus in unseren Genen steckt. Wir haben das Erbgut in uns aus Urzeiten, in denen wir durch die Widlnis wanderten und mit ihr lebten. Und körperlich sind wir immer noch die gleichen Menschen. Lediglich unsere Umwelt und unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit haben wir verändert.
Moderner Ansatz
Mein schamanischer Ansatz ist, wie du siehst, ein moderner und integrativer. Ich nutze schamanische Techniken zusammen mit psychologischen und philosophischen Modellen und greife zurück auf moderne Erkenntnisse über das Leben und auf Techniken der außersinnlichen Wahrnehmung, schaue aber auch in die Natur, die uns sooo viel lehren kann.